Mainz. Bei TV-Talk „Lanz“ kommen Kommunalpolitiker zusammen, um über Migration, Wohnungen und ein eher spezielles Problem zu sprechen.

„Man lernt viel”, sinnierte Markus Lanz zu Beginn, „wenn man den Blick mal nicht auf das Raumschiff Berlin richtet, sondern dort hinschaut, wo das umgesetzt werden muss, was im Raumschiff beschlossen wird.” Also tat der Moderator am Mittwochabend genau das und lud für seine Schwerpunktwoche „Gespräche mit der politischen Basis” erneut vier Kommunalpolitiker in sein Studio, um sich die akuten Probleme vor Ort anzuhören.

Warum es nicht vorwärtsgeht: zum Beispiel die Feldhamster

Da wären zum Beispiel die Feldhamster. „Jetzt ernsthaft?”, fragte Markus Lanz mehrfach mit hochgezogenen Augenbrauen nach, als der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein von einem Problem berichtete, um das sich die meisten Menschen wahrscheinlich noch keine Gedanken gemacht haben und das trotzdem große Folgen für Bausewein hat. Es geht um Feldhamster. Kleine, niedliche Nagetiere, deren Bestand seit den 1970er-Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist, weshalb sie in Deutschland zu den streng geschützten Arten zählen. Das ist nun erst mal nichts Schlechtes. Ungünstig für Oberbürgermeister Bausewein ist allerdings, dass rund 40 der kleinen Nager ausgerechnet dort siedeln, wo er ein dringend benötigtes Schulzentrum bauen möchte.

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Und nun? Eine Umsiedlung der Hamster wurde besprochen, erklärte Bausewein, allerdings würde diese inklusive 30 Jahre „feldhamsterfreundlicher” Bewirtschaftung der extra dafür angekauften Felder circa zehn Millionen Euro kosten. „Wir brauchen dringend Schulplätze”, betonte Bausewein, „und die Leute verstehen nicht mehr, wenn ich mit solchen Beispielen ankomme.” Ungläubiges Kopfschütteln bei Lanz.

Es gibt sie die „faktische Obergrenze“

Auch Christian Engelhardt, CDU-Landrat im hessischen Kreis Bergstraße, wäre froh, wenn er bauen könnte, doch ihm fehlt schlichtweg der Platz. In seinem Kreis gäbe es kaum mehr unbebaute Flächen, die für den Bau von dringend benötigten Wohnraum zugelassen sind. Vor allem die hohen Flüchtlingszahlen brachten die Kommunen an ihre Grenzen. Er habe die Menschen in Containerdörfern, ehemaligen Hotels oder umgebauten Diskotheken unterbringen müssen. „Aber das ist kein Ort, an dem ich jemanden integrieren kann”, betonte Engelhardt.

Markus Lanz: So liefen die letzten Sendungen

Bei Lanz forderte der Politiker mehr Ehrlichkeit für die aktuelle Lage der Kommunen und sprach von einer „faktischen Obergrenze”: „Wir können nur so viele Menschen in unserem Land leben lassen, wie wir integrieren können mit den Ressourcen, den Fachkräften, den Strukturen, die wir haben.” Am Ende würde es jedoch darauf hinauslaufen, dass in Berlin „irgendwelche Dinge beschlossen und kommuniziert werden”, die schließlich in den Kommunen umgesetzt werden müssen.

Ins Rathaus regnet es rein

Dies sei im übrigen nicht die Schuld der jetzigen Regierung, sondern schon seit Jahren so, warf an dieser Stelle Ursula Baum, Bürgermeisterin von Kaarst in NRW, ein. Auch Baum kämpft mit akuter Wohnungsnot und einem überlasteten Schulsystem. Hinzukommen eine kaputte Infrastruktur und Löcher im Dach des Rathauses, durch die es hereinregnet.

Aber bevor sie in „das Rathaus investiere, kommt jede Schule bei mir dran”, versprach sie zuversichtlich. Die Kommunen hätten in den vergangenen Jahrzehnten „unabhängig von politischer Couleur” einen Auftrag nach dem nächsten bekommen, betonte auch Bausewein, „aber nicht das Geld, die Aufgaben zu erfüllen”. Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann, weswegen „die Infrastruktur auf Verschleiß gefahren” wurde.

Pankows Bürgermeisterin muss abwägen: Bäume contra Wohnungsnot

Womit wir wieder bei dem dringend benötigten Schulzentrum und den siedelnden Feldhamstern wären. Dabei ist sich die Runde, die durch Pankows Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch vervollständigt wurde, im Großen und Ganzen grundsätzlich einig: Zuwanderung sei eine Chance, meinen die Politiker, aber dafür müssen Möglichkeiten geschaffen werden, um die Geflüchteten besser zu integrieren, schneller in Arbeit zu bringen und unterzubringen.

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An dem letzten Punkt beißt sich aktuell auch Cordelia Koch die Zähne aus. Seit mehreren Monaten kämpfen Anwohnerinnen und Anwohner in ihrem Pankower Bezirk gegen zwei neue Wohnhäuser für Geflüchtete in ihren Innenhöfen, für die auch zahlreiche Bäume gefällt werden sollen. Auch Koch ist mit Blick auf die ebenso dringend benötigten Grünflächen innerhalb Berlins dagegen. Also tut sie dasselbe wie Baum, Bausewein und Engelhardt: Sie sucht nach Lösungen für Probleme, die an sie weiterdelegiert wurden. Für den Bezirk Pankow heißt das: Erst mal den gesamten Leerstand nutzen, bevor Bäume gefällt werden.