Braunschweig. Deutschlands bester 13-jähriger Spieler gewinnt schon internationale U14-Turniere, muss dafür aber eine Menge Stress in Kauf nehmen.

An der A2 zwischen Braunschweig und Hannover kennt Luys Calin inzwischen fast schon jedes Straßenschild und kann die Verkehrsdichte recht treffsicher vorhersagen. Zwischen einer Stunde zehn und eineinhalb Stunden dauere sein Schulweg je nach Verkehr, erzählt der junge Braunschweiger, der sozusagen ein minderjähriger Berufspendler ist. „Oft ist Stau, und dann komme ich manchmal auch zu spät.“

Was tut man nicht alles für seine Leidenschaft, ja seine Mission beziehungsweise die seines Sprösslings? Sein Vater Liviu Calin, der bekannte Basketball-Trainer, und seine Mutter Luana Calin-Patac, ehemalige Turmspringerin im rumänischen Nationalteam, unterstützen die Ambitionen ihres Sohn nach Kräften. Der will Tennisprofi werden, ist aber gerade erst 13 Jahre alt geworden. Und so setzen sich die Eltern abwechselnd jeden Tag frühmorgens ins Auto und fahren nach Hannover. Dort trainiert Luys Calin inzwischen komplett an der „Tennis Base“ des Landesverbandes mit Landestrainer Robin Möller und guten Trainingspartnern - und ist deswegen im Sommer von der Raabeschule in Braunschweig an die Eliteschule des Sports, die KGS Hemmingen, in der Landeshauptstadt gewechselt, wo er den Unterricht besser an sein Training anpassen kann.

Braunschweigs NBA-Star Dennis Schröder unterstützt Calin junior als Edelfan

Jetzt aber sind ja zum Glück Ferien, da fällt der Stress weg, und das Reisevergnügen steigt. Das Toptalent des MTV Braunschweig, der NBA-Star Dennis Schröder, Freund der Familie, seinen Edelfan und Unterstützer nennen darf, ist gerade von Kreta zurückgekehrt, wo er in einem Turnier der untersten Kategorie 3 der Tennis Europe Junior Tour im Viertelfinale am späteren Sieger gescheitert war. Zuvor hatte er beim Heimspiel in Hannover, dem „Cup der Nordverbände“, ein Turnier dieser Leistungsstufe sogar gewonnen.

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Und das als ungesetzter Spieler. Denn der Siebtklässler ist erst im Februar 13 geworden, womit er in die neue Altersklasse U14 aufgestiegen ist. In der U12 hatte er in den beiden Vorjahren bereits international auf sich aufmerksam gemacht, war zum Future-Star-Turnier der besten 24 U12-Talente der Welt eingeladen und hatte auch den deutschen Meistertitel ohne Satzverlust sowie das U12-Masters-Finale gewonnen.

Talent des MTV gewinnt gleich sein zweites internationales U14-Turnier

In der U14 muss er sich nun erstmal wieder hinten anstellen, zumal ein Großteil der Konkurrenz schon ein Jahr älter und somit größer und stärker ist. Hannover war erst sein zweites Turnier bei den Älteren, und doch hat sich Luys Calin souverän durchgesetzt. Durch vier klare Zweisatzsiege zog er ins Finale ein, wo er den an Eins gesetzten Miko Koeppen vom Großflottbeker THGC abermals klar mit 6:2, 6:3 bezwang.

In seinem Jahrgang 2011 ist der Braunschweiger die Nummer eins in Deutschland, bei den 2010ern gibt es in Johann Nagel-Heyer einen besseren Spieler. „Er ist auch die Nummer eins in Europa, groß und athletisch und spielt sehr solide mit wenigen Fehlern“, vergleicht der Braunschweiger. Wobei der Name „Tennis Europe Tour“ täuscht, es sind auch Spieler anderer Kontinente von Australien bis Brasilien am Start.

DTB schickt jungen Braunschweiger zum Top-Event nach Portugal

Luys Calin freut sich über die neue Herausforderung, sich nun in der U14 hochzuarbeiten. „Mein großes Ziel ist es, am Ende des Jahres unter den Top 75 in Europa zu sein, nach dem Kat-3-Turnier auch mal ein Kategorie-2-Turnier zu gewinnen und in der Kategorie 1 gegen gute Spieler Erfahrungen zu sammeln und auch mal welche zu schlagen“, zählt er ohne zu zögern auf. Darüber gibt es noch die Super-Kategorie, und auch hier ist ihm schon sicher, dass er bald mal hineinschnuppern darf. „Der DTB hat mich zu einem Super-Turnier Mitte April in Portugal eingeladen“, jubelt er.

Die Eliteschule des Sports macht es möglich, dass er auch mal außerhalb der Ferien Auslandsturniere besucht. „Dann geben sie mir vor der Reise schon Aufgaben mit, und von unterwegs kann ich über ein Internetprogramm mit den Lehrern kommunizieren“, erzählt der Braunschweiger. Aber alles kein Vergleich zu Konkurrenten aus dem Ausland, bei denen keine Präsenzpflicht in der Schule besteht, die nur Online-Unterricht machen und wie erwachsene Profis von Turnier zu Turnier reisen.

„Kinder-Profis“: Internationale Turniere jede Woche in aller Welt

Unglaublich, wie viele nahezu professionelle Kinder-Turniere praktisch in jeder Woche des Jahres in der Welt schon ausgetragen werden. Allein in der Europa-Tour 2023 starteten 12.000 Spieler und Spielerinnen aus 110 Ländern in drei Altersklassen auf 490 Turnieren – und dann gibt es ja auch noch eine Welt-Tour.

Sich in der Rangliste hochzuarbeiten, funktioniert nur über das Punktesammeln bei möglichst vielen Turnieren. Und nur mit vielen Punkten kann man für höherwertige Turniere melden. Durch den Sieg in Hannover beispielsweise hat sich Luys Calin mit 90 Punkten auf Platz 122 verbessert, liegt nach dem Turnier in Griechenland auf Platz 116 in der U14 der Europe Tour und zählt in seinem Jahrgang zu den Top-20. „Spiele ich aber drei Wochen lang kein Tennis Europe Turnier, rutsche ich ab“, verdeutlicht er.

Luys Calin: Tennis fällt ihm leicht, Schule und Anreise eher schwer

Das tägliche Tennisspielen – montags ist manchmal frei - fällt ihm auch unter der neuen Belastung absolut leicht. Mit den Braunschweiger Freunden verabredet er sich sonntags, wenn er nicht irgendwo im Finale aufschlägt. Schwerer sei es mit der Schule, gibt er zu. „Aber ich versuche, Gas zu geben, um später mein Abitur zu schaffen.“ Punkt drei, die Fahrerei: „Morgens so lange im Auto nach Hannover zu sitzen, ist sehr langweilig“, stöhnt er.

Seit er 13 ist, könnte er auch komplett ins Sportinternat wechseln. „Aber meine Eltern sagen, das hat noch Zeit“, erzählt er. Sie fahren ihren Sohn lieber, als ihn aus den Augen zu verlieren. Da Luys Calin für 2024 als eines von drei Talenten unserer Region ins niedersachsenweite Sportförderprogramm von VW Financial aufgenommen worden ist, sind die Kosten kein so großes Problem mehr.

Fleiß und Ehrgeiz - Karrierechancen hängen auch vom Körper ab

Während der Bauernproteste, als sich die Fahrzeit nicht kalkulieren ließ, hat er schon mal eine Woche lang ausprobiert, wie es sich am Stützpunkt schläft. Und auch, wenn das Training mal spät angesetzt ist und bis 19.30 Uhr dauert, findet er dort ein freies Bett. Derzeit weilt er wieder an der Base, trainiert zweimal am Tag, um im internationalen Vergleich ein bisschen aufzuholen.

Doch ob Luys Calin seine großen Ziele Richtung Weltspitze bei den Erwachsenen wird erreichen können, wird nicht nur von Fleiß und Ehrgeiz abhängen, sondern auch von seiner körperlichen Entwicklung und Belastbarkeit. Derzeit misst er nur 1,61 Meter, ist eher zierlich, hofft aber, in den nächsten Jahren noch deutlich zuzulegen. „Andere sind mit 13 Jahren schon 1,75 Meter oder 1,80 Meter groß und haben richtig Power“, macht er deutlich, wie es derzeit bei den Turnieren abgeht. „Und die gewinnen dann eben durch ihren Aufschlag und ihre Kraft, obwohl sie tennistechnisch nicht so gut sind.“ Calins Gegenmittel bis auf weiteres: „Ich spiele einfach aggressiver und mutiger.“