Berlin. Bahn und GDL haben sich geeinigt. Die Züge rollen wieder – doch für wie lange? Und was kostet das den Steuerzahler? Der Überblick.

Es war ein erbitterter Arbeitskampf: Fünf Monate dauerte er, sechs Streikrunden mussten Fahrgäste über sich ergehen lassen. Nun haben sich GDL-Chef Claus Weselsky und Bahn-Personalvorstand Martin Seiler geeinigt. Der Tarifstreit ist beendet. Und die Streitpunkte sind allesamt ausgeräumt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Deutsche Bahn: Wie viel wird zukünftig gearbeitet?

Großer Streitpunkt zwischen GDL und Deutscher Bahn war die Arbeitszeit. In dieser Frage ist der Konzern der Gewerkschaft bei ihrer Kernforderung nach einer 35-Stunden-Woche entgegengekommen. So hat man sich nun auf einen Stundenkorridor von 35 bis 40 Stunden bei gleichbleibenden Löhnen und Gehältern geeinigt.

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Bahn-Mitarbeiter, die von der GDL vertreten werden, sollen künftig aber selbst entscheiden können, wie viele Stunden sie arbeiten wollen. Umgesetzt werden soll das neue Modell schrittweise bis zum Jahr 2029. In einem ersten Schritt soll die Referenzarbeitszeit 2026 von 38 auf 37 Stunden sinken. Wer dennoch mehr arbeiten wolle, erhalte dann einen Lohnausgleich.

Wie viel Gehalt bekommen Bahn-Mitarbeiter jetzt?

Zunächst bekommen alle Mitarbeiter, die in der GDL organisiert sind, eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2850 Euro. Diese wird in zwei Raten ausgezahlt: 1500 Euro noch im März, weitere 1350 Euro dann voraussichtlich im Mai. Zudem wird es eine Lohnerhöhung von insgesamt 420 Euro geben, ebenfalls in zwei Schritten. So sollen 210 Euro mehr pro Monat zum 1. August 2024 gezahlt werden, und nochmal 210 Euro zum 1. April 2025. Wie viel das Bahn-Personal nach der Erhöhung verdient, lesen Sie hier.

Aber: Am Ende werden nicht alle gleich viel verdienen. „Wer mehr arbeitet, verdient entsprechend mehr“, betont die DB. Das bedeutet: Wer sich für mehr Arbeit entscheidet, erhält pro Stunde 2,7 Prozent mehr Lohn. Die Bahn rechnet vor: So würden zum Beispiel Lokführer oder Zugbegleiter in einer 40-Stunden-Woche rund 14 Prozent mehr verdienen als in einer 35-Stunden-Woche.

Wie viel haben die Lokführer der Bahn bisher verdient?

Wie viel ein einzelner Lokführer verdient, lässt sich nur schwer ausmachen. Unter anderem, weil es auch darauf ankommt, in welcher Gewerkschaft er organisiert ist. Der bisherige Rahmentarifvertrag zwischen GDL und dem Arbeitgeberverband Move sah ein monatliches Grundgehalt von 3127 Euro vor (Angaben jeweils brutto), das mit größerer Berufserfahrung bis auf 3825 Euro ansteigt.

Haben sich geeinigt: GDL-Chef Claus Weselsky und Martin Seiler, DB-Personalvorstand.
Haben sich geeinigt: GDL-Chef Claus Weselsky und Martin Seiler, DB-Personalvorstand. © DPA Images | Fabian Sommer

Hinzu kommen bei der Deutschen Bahn Zulagen wie Weihnachtsgeld, Sonn- und Feiertagszulagen, Nachtgeld oder Prämien. Unterm Strich verspricht die Deutsche Bahn ihrem Fahrpersonal ein Gehalt zwischen 45.000 und 56.000 Euro im Jahr, also rechnerisch rund 3700 bis 4450 Euro brutto im Monat. Das Unternehmen nennt ein Durchschnittsgehalt von 4200 Euro. Verbeamtete Lokführer verdienen etwas mehr.

Streik-Gefahr gebannt: Was sagt die Bahn zur Einigung?

„Wir haben nach langem Ringen und einem schwierigen Tarifkonflikt eine Lösung gefunden und mit der GDL vor wenigen Stunden die Verträge unterzeichnet“, sagte DB-Personalvorstand Seiler bei einer Pressekonferenz. Er sprach von einem „intelligenten Kompromiss“. Streiks drohen Fahrgästen der Bahn nun nicht mehr.

Wer ist Gewinner der Einigung? Das sagt Weselsky:

Gewerkschafts-Chef Weselsky sieht die Tarifeinigung mit der Bahn als Erfolg. „Wir haben keinen Misserfolg, sondern einen Erfolg, fast auf der ganzen Linie.“ Seine Begründung: „Ich beginne mit dem Hinweis, dass die 35-Stunden-Woche auch bei der Deutschen Bahn AG schrittweise Stück für Stück normativ in den Tarifverträgen eingeführt wird und dass das Entgelt nicht abgesenkt wird.“

Nur in einem Punkt habe die Gewerkschaft sich nicht durchsetzen können: Die GDL wird auch künftig keine Tarifverträge für die Beschäftigten in der Infrastruktur abschließen. Weselsky räumte ein, dass sich in diesem Bereich zu wenige Mitarbeiter an den Arbeitskämpfen beteiligt hätten, um eine solche Ausweitung zu rechtfertigen.

Was sagen Vertreter aus Politik zum Ende des Tarifstreits?

BundesverkehrsministerVolker Wissing (FDP) hat die Heftigkeit der Auseinandersetzung kritisiert. Es sei gut, dass der Tarifkonflikt beigelegt sei, sagte er dieser Redaktion. Er sei eine große Belastung für die Bürgerinnen und Bürger gewesen, so Wissing. „Jetzt muss man nach vorne schauen. Die Heftigkeit der tariflichen Auseinandersetzung sollte allerdings nicht Schule machen“, erklärte er. Mit Blick auf den gefundenen Kompromiss warnte Wissing vor den Folgen für den Bahn-Konzern. „Für die Bahn geht mit dem großen Interesse der Beschäftigten an neuen Arbeitszeitmodellen auch immer das Risiko einher, den Betrieb nicht im notwendigen Maße aufrechterhalten zu können“, so Wissing. Man könne aber jede Fachkraft dringend gebrauchen.

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Der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), zeigt sich erleichtert, dass die Bahn-Streiks nun ein Ende gefunden haben. „Die Streiks hatten drastische Auswirkungen auf Dritte und haben Deutschland an die Grenze der Belastungsfähigkeit geführt“, sagte Theurer dieser Redaktion. Er richtet seinen Blick aber auch Richtung Zukunft.

„Ich erwarte von Management und Belegschaft, dass zeitnah auch Reformen angepackt werden, mit denen die höheren Löhne und geringeren Arbeitszeiten wirtschaftlich tragfähig werden können“, fordert Theurer. Schon heute mache die DB in ihren eigenwirtschaftlichen Geschäftsfeldern erhebliche Verluste. „Der Konzern sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Steuerzahler diese Verluste ausgleicht.“

Nachverhandlungen mit der EVG wird es nicht geben, sagt die Bahn.
Nachverhandlungen mit der EVG wird es nicht geben, sagt die Bahn. © DPA Images | Christoph Soeder

Die Züge fahren wieder – und wie geht es jetzt weiter?

Bis Ende Februar 2026 gilt laut DB nun Friedenspflicht mit der GDL. Der Tarifvertrag läuft 26 Monate bis Ende 2025, danach folgt eine zweimonatige Verhandlungsphase, in der ebenfalls keine Streiks möglich sind. Darüber hinaus werden bereits vor Beginn der Verhandlungen Schlichtungsmodalitäten für den Fall abgestimmt, dass sie nicht gütlich zu Ende gebracht werden können. Auch das ist neu und schafft einen geordneten Rahmen für die nächste Tarifrunde. Die Laufzeit für die Bestimmungen zur Arbeitszeit endet sogar erst Ende 2028.

Soll mit anderen Gewerkschaften nachverhandelt werden?

Nein, sagt Seiler. Nach der Tarifeinigung mit der GDL wird es keine Nachverhandlungen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geben, die mit der GDL um Mitglieder konkurriert. „Wir haben mit der EVG bestehende Tarifverträge, die laufen bis Ende März nächsten Jahres“, so Seiler. „Wir haben keine Nachverhandlungsklausel vereinbart, und insofern sehen wir uns mit der EVG in rund einem Jahr am Verhandlungstisch.“

Bahn und EVG hatten bereits im vergangenen Sommer einen Tarifabschluss erzielt, der unter anderem eine Entgelterhöhung von 410 Euro pro Monat vorsah bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Für einzelne Berufsgruppen wurden darüber hinaus strukturelle Erhöhungen in den Tariftabellen vereinbart, die nach dieser Vertragslaufzeit angewendet werden.